Wenn der Frühling naht

Jede Jahreszeit und jede Tageszeit hat ihren Reiz. Ich mag die kalten Wintermorgen im Februar, wenn die Luft so klar ist, wie kaum an einem anderen Tag, wenn der Atem sich vor dem Mund in Nebel verwandelt und jeder Schritt auf der erstarrten Wiese hörbar das gefrorene Gras bricht. Auch wenn die Hände kalt sind, die Blutgefäße sich zusammenziehen, um den Körper warmzuhalten und dabei Hände und Wangen rot färben, ist es trotzdem ein schönes Gefühl, draußen und in der Natur zu sein. Es sind genau diese Tage, die ich so mag, denn es sind die hellsten und reinsten Tage im Jahr.

Die Klarheit dieser Tage ist auch ein Zeichen für den Körper, der nun bereit ist, sich zu reinigen, sich aufzumachen, loszulassen, sich von Altem und Schwerem zu trennen und sich vorzubereiten auf das Frühjahr, mit all seinem vielfältigen Erwachen.

Der erste Vogel stimmt sein Lied an und binnen Sekunden zwitschert die ganze Vogelschar fern und nah ihre Melodie. Der Specht hämmert an einem Baum im nahen Wald und wir nehmen mit allen Sinnen wahr, dass das Frühjahr nicht mehr weit ist.

An den Sträuchern und Bäumen hängt noch dick der gefrorene, weiße Reif und kleine, tagsüber geschmolzene und nachts wieder gefrorene Wassertropfen baumeln an den Zweigen. Zugleich spürt man, dass die Sonne schon höher steht, als noch im Januar. Das gefrorene Gras gibt deutlich die Wege des Wildes preis, das immer dieselben Pfade benutzt und in den vom Laub befreiten Zweigen werden kleine Vogelnester sichtbar. Die Tage werden wieder länger und das Frühjahr ist bereit, hervorzubrechen, sobald es wärmer wird und der Boden aufgeht. Alles wartet darauf, neues Leben hervorzubringen.

Immer mehr erwacht auch dieser Tag zum Leben. Immer höher wandert die Sonne und strahlt ihr wärmendes Licht der Erde entgegen. Der Blick ist weit an so einem kalten Wintermorgen und die Luft ist rein. Kein Nebel durchzieht die Landschaft. Es ist herrlich. Herrlich kalt, herrlich klar, herrlich rein. Die Felder liegen vor mir, noch gefroren vom Winter und doch bereit, bald die neue Saat aufzunehmen. Es ist ein schönes Gefühl, das eigene Leben – und Leben in seiner Ganzheit – zu spüren: die Kälte auf der Haut zu fühlen, die klare Luft zu atmen, das Sonnenlicht wahrzunehmen, die Vögel zu hören, das Moos zu schmecken…